Im Zentrum der Macht

Ein Besuch im Landtag von Baden-Württemberg

Kann man an einem Freitagmorgen Winfried Kretschmann im Landtag begegnen? Nein. Denn nur etwa dreimal im Monat müssen er und alle anderen Abgeordneten zu Plenarsitzungen nach Stuttgart kommen. Doch mit der Bahn reist er wahrscheinlich nicht an, denn in diesem Fall bliebe der Regierungssessel als auch sein Abgeordnetensessel möglicherweise leer. Die Anreise mit der Bahn in der Frühe ist tückisch. Diese Erfahrung machten auch wir. Am Morgen um kurz vor sieben Uhr versammelten wir uns – Schüler:innen von Klasse 5 bis 12 anlässlich des Firstwalder Kultur- und Wintersporttages am 14.02.2025 – bei leichtem Schneefall und kaltem Wind am Mössinger Bahnhof. Wir bemerkten schnell, dass man trotz eines gelben Doppelsignals sehr lange auf den Zug warten muss. Kälte, Verspätungen und Überfüllung verhinderten allerdings nicht unser Eintreffen im Landtag. Die freundliche Politologin des Besucherdienstes führte uns kenntnisreich und engagiert durch die Hallen der Macht. Ein übergroßer Bauer erweckte sofort unsere Aufmerksamkeit und es stellte sich heraus, dass jene künstlerische Installation kein Zufall ist. Denn die Schachfigur symbolisiert Artikel 20 GG, nach dem alle Gewalt vom Volke ausgeht. Und wie geht das? Unter anderem dadurch, dass wir alle fünf Jahre die Landesabgeordneten wählen. Und denen kann man im Untergrund des Landtages auf die Spur kommen. Dort befindet sich ein langer Tunnel, der das Abgeordnetenhaus jenseits der Konrad-Adenauer-Straße mit dem Landesparlament verbindet. Wir konnten uns sehr gut vorstellen, wie die Landesparlamentarier mit politischen Gestaltungswillen im hastigen Tempo hier hindurcheilen. Auf dem Weg dahin liefen wir auch über den Grundstein des Landtages, auf dem das Datum der Grundsteinlegung (24. Juni 1959) vermerkt ist und unter dem in einer Box wichtige Informationen verborgen sind. Wenn die Abgeordneten sich in jenen unterirdischen Gewölben bewegen, verpassen sie dennoch nichts, weil die Informationen live aus dem Plenarsaal über Lautsprecher in alle abgelegenen Räume von A wie Abgeordnetenbüro bis W wie WC übertragen werden. Der eigentliche Höhepunkt für uns Besucher:innen wartete im Plenarsaal selbst. Hier erfuhren wir von Glocke, Stenograf und Präsidentin, von Schriftführern, Rednerpult und Regierungsbänken. Wir fragten uns: Hat jede und jeder Abgeordnete einen festen Platz? Ja, außer unser Ministerpräsident. Dieser hat sogar zwei, weil er zugleich als Abgeordneter der Grünen gewählt wurde. Das führt wohl manchmal zu einem Rollenkonflikt, der auf dem Weg zwischen den Stühlen intrapersonal geklärt wird. Zwischen vielen weiteren Informationen zu Gesetzen, Parlamentsgebaren und Legislatur, zu Presse, Fraktionen und Architektur haben wir auch noch die dynamische Beweglichkeit der Abgeordnetensessel selbst erprobt. Das Hin und Her, das Wippen und Schaukeln, das Drehen im Kreis hatte durchaus eine entspannende Wirkung. Zum Ende hin wurde vor lauter Wissensdurst und Aufenthaltsfreude die Zeit etwas knapp und wir mussten den Plenarsaal über die Lobby unter dem Geräusch der Glocke wieder verlassen. Der Austritt aus dem Gebäude wurde noch etwas verzögert, denn die Sicherheitsschleuse wollte uns nicht gleich freigeben.
Danach teilten wir uns in Gruppen auf und erkundeten Stuttgarts Innenstadt. Und noch bevor Christian Lindner (FDP) seine Rede auf dem Schlossplatz hielt, fuhr unser Zug wieder zurück nach Mössingen.
Der Tag im Zentrum der Macht war für uns alle ein besonderes Erlebnis und so manche Schülerin und so mancher Schüler träumt nun bereits von einer politischen Karriere. Gewiss eines bleibt uns eingebrannt wie die Buchstaben im Parlamentsfundament: Die Würde des Menschen ist unantastbar. (Katharina Merkens, Julian Steimle, Wm)

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